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PRÜFUNG KLEINER UND MITTLERER UNTERNEHMEN

Finanzkrise, Wirecard und die ISA

Die Finanzkrise des Jahres 2008 hat nach Meinung der EU-Kommission die Schwächen des europäischen Systems der Abschlussprüfungen deutlich zutage treten lassen. Hierzu veröffentlichte die Kommission 2010 mit ihrem Initiativrecht für die EU-Rechtsetzung ein Grünbuch zur Abschlussprüfung mit dem Ziel, die Anforderungen an Abschlussprüfungen in Europa zu verschärfen, um zukünftige Krisen frühzeitig erkennen zu können. Grundlage dieser Verschärfung sollte die Anwendung internationaler Prüfungsstandards werden – der ISA (International Standards on Auditing) und der ISQC (International Standards on Quality Control).

Die ISA und die ISQC wurden vom International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) erarbeitet, bei dem es sich um ein Gremium des International Federation of Accountants (IFAC / Internationale Vereinigung der Wirtschaftsprüfer) handelt. Nach Abschluss der Überarbeitung der ISA im sog. Clarity Project hat der Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) seine Prüfungsstandards überarbeitet und an die ISA angepasst  (IDW EPS 001).

Die Überarbeitung der IDW Prüfungsstandards konnte den Wirecard-Skandal nicht verhindern. Seit Jahrzehnten beanspruchte das IDW das Recht, fachlichen Regeln für die Abschlussprüfung festzulegen. Nach IDW Auffassung legt nicht der Gesetzgeber der WPO oder die WPK die Spielregeln für die Qualitätskontrolle fest, sondern das IDW und damit die Big4. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, in den §§ 57a ff. WPO konkrete Anforderungen an die Prüfungsdurchführung zu definieren. Die Schlussfolgerung aus Finanzkrise und Wirecard-Skandal kann nur der Ersatz der IDW-PS durch die ISA und ihre konsequente Anwendung sein.

Die aktuelle Fassung des § 317 Abs. 5 HGB sieht vor, bei der Durchführung von Abschlussprüfungen künftig die ISA anzuwenden, sobald sie in europäisches Recht übernommen wurden. Die Vorschläge der EU-Kommission sehen sogar eine direkte Pflicht zur Anwendung der ISA bei allen Abschlussprüfungen in der EU vor, ohne dass zuvor eine Übernahme in EU-Recht erfolgt. Da die EU-Kommission die ISA bisher nicht angenommen hat, sind sie gegenwärtig bei der Prüfung von Jahresabschlüssen in Deutschland noch nicht gesetzlich verpflichtend anzuwenden. Die freiwillige Anwendung ist jedoch zulässig.

Der Vorstand der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) veröffentlichte im März 2012 Hinweise zur skalierten Prüfungsdurchführung auf Grundlage der ISA. In der Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer / vereidigte Buchprüfer von 2016 wurde mit § 39 Abs. 1 dem Berufsstand die Möglichkeit gegeben, eine der Größe, der Komplexität und dem Risiko des Prüfungsgegenstands angemessene Prüfung durchzuführen („skalierte Prüfungsdurchführung“).

Weiterführender Link:

Handelsgesetzbuch: § 317, Abs. 5 HGB